Das Gleichgewicht
Ein Ausgleich zwischen den Ressourcen des Baumes und den Äpfeln
Trägt ein Apfelbaum zu viele Früchte, kann er nicht alle Früchte ausreichend mit Nährstoffen versorgen. Der Baum würde sich sozusagen überarbeiten. Um dieser Überbelastung vorzubeugen, hat die Natur einen Trick auf Lager: den Junifruchtfall. Der Apfelbaum lässt von Natur aus Früchte fallen. Dadurch kann sich der Baum selbst entlasten. Er kann seine Kraft so auf die restlichen noch verbleibenden Äpfel verteilen. Es entsteht ein besseres Gleichgewicht zwischen den auszureifenden Äpfeln und den vorhandenen Ressourcen.
Doch die Natur arbeitet im Überfluss. Auch nach dem Junifruchtfall trägt ein Baum oft immer noch mehr Äpfel als er versorgen kann. Damit der Baum im Gleichgewicht bleibt und die Äpfel in bester Qualität ausreifen können, dünnen wir alle unsere Bäume nach dem Junifruchtfall von Hand aus. In diesem Öpfelblettli erklären wir Ihnen das Phänomen Junifruchtfall etwas genauer. Anschliessend erklären wir, was bei der Handausdünnung zu beachten ist.
Zum Schluss erzählen wir Ihnen in der Jubiläumsgeschichte, wie das Aufkommen der Kirschessigfliege unseren Anbau von Beeren beeinflusst hat. Das kleine Insekt hat uns zu grossen Investitionen gezwungen.
Liebe Grüsse
Ihre Familie Kuppelwieser
Der Junifruchtfall
Ein natürlicher und wichtiger Vorgang zur Entlastung der Bäume
Im Juni lässt sich beobachten, wie die Apfelbäume kleine, grüne, noch unreife Äpfel frühzeitig fallen lassen. Es handelt sich um eine natürliche Auslese. Der Baum lässt jene Früchte fallen, die unzureichend befruchtet sind. Doch wie weiss der Baum, welche Früchte ungenügend befruchtet sind?
Die Natur hat hier einen Trick auf Lager. Der Baum wartet einfach auf die Rückmeldung der Früchte. In einem ausreichend befruchteten und somit gesunden Apfel bilden die Samen Pflanzenhormone, die Signale an den Baum senden. Anhand dieser Signale gibt die Frucht dem Baum zu verstehen, dass Nährstoffe, Zucker und Wasser gebraucht werden, um einen gesunden Apfel bilden zu können. Bleiben diese hormonellen Signale aus, weiss der Baum, dass der entsprechende Apfel nicht richtig befruchtet wurde. Diese Früchte werden nicht mit Nährstoffen versorgt. Die Bildung der Frucht gerät ins Stocken, der Stiel verkorkt und die Frucht fällt ab.
Für den Baum wäre es eine Verschwendung, einen unzureichend befruchteten Apfel auszubilden. Denn dieser unbefruchtete Apfel trägt keine oder eine ungenügende Anzahl Samen in sich und könnte so der Fortpflanzung des Baumes nichts beitragen. Somit ist der Junifruchtfall ein natürlicher Vorgang, bei dem die Natur sich auf die Bildung der gesunden und intakten Früchte fokussiert.
Quelle: www.botanikguide.de
Die Gründe
Weshalb wir unsere Apfelbäume von Hand ausdünnen
Der Junifruchtfall ist der natürliche Ausdünnprozess. Jedoch trägt ein Apfelbaum in einem starken Jahr auch nach dem Junifruchtfall noch zu viele Äpfel. Deshalb müssen wir weitere überzählige, beschädigte und zu kleine Äpfel von Hand entfernen, damit unsere Äpfel den Qualitätsanforderungen unserer Kundinnen und Kunden entsprechen.
Ein Baum hat nur eine begrenzte Menge an Ressourcen (Nährstoffe, Zucker, Wasser, usw.) für die Fruchtbildung verfügbar. Er muss diese begrenzten Ressourcen auf die zahllosen Äpfel verteilen, die am Baum hängen. Je mehr Äpfel der Baum zu versorgen hat, auf umso mehr Früchte muss er seine Ressourcen verteilen. Das heisst, der einzelne Apfel erhält weniger. Dadurch bleibt der Apfel eher klein, geschmacksarm und farblos. Die Qualität der Äpfel leidet stark, wenn zu viele Früchte am Baum hängen.
Trägt der Baum aber weniger Äpfel, erhält jeder einzelne Apfel mehr von den Gesamtressourcen des Baumes. Dadurch ist das Wachstum der Äpfel besser und im Herbst können knackige und saftige Äpfel geerntet werden. Aus diesem Grund ist es in unserem Interesse, dass unsere Bäume nicht zu viele Früchte tragen. Für uns ist bei der Produktion von Äpfeln nicht die Quantität, sondern viel mehr die Qualität entscheidend.
Unser Grundsatz
Qualität vor Quantität
Die Methodik
Wie wir bei der Handausdünnung unserer Apfelbäume vorgehen
Wir warten immer zuerst den Junifruchtfall ab, um zu sehen, wie viele Früchte durch die natürliche Auslese vom Baum fallen. Anschliessend pflücken wir jeden einzelnen unserer gut 30-35‘000 Apfelbäume von Hand aus, um sicher zu stellen, dass jeder Baum genau so viele Früchte trägt, wie für ihn gesund ist. Dabei orientieren wir uns an Richtwerten (siehe Tabelle „Empfohlene Anzahl Äpfel pro Baum“).
Für die Handausdünnung verwenden wir entweder die kleine Ausdünnschere oder entfernen die Äpfel von Hand. Mit der Schere ist es einfacher zwischen den kleinen Äpfeln hindurch zu den Stielen zu gelangen. Und mit der Schere können die Äpfel mit einem sauberen Schnitt entfernt werden. Dominic Kuppelwieser dünnt die Bäume trotzdem gerne von Hand aus. Er kann dann mit beiden Händen arbeiten und ist somit schneller. Wenn mit der Hand ausgedünnt wird, muss aber darauf geachtet werden, dass der Stiel am Baum bleibt. Sonsten besteht die Gefahr, dass nach einiger Zeit auch jene Äpfel vom Baum fallen, die eigentlich ausreifen sollten.
Die Empfehlungen
10 Tipps & Tricks, was bei der Handausdünnung zu beachten ist
Die Handausdünnung ist eine herausfordernde Aufgabe. Die Qualität der Ausdünnung entscheidet über die Qualität der Äpfel, die im Herbst geerntet werden können. Aus diesem Grund orientieren wir uns bei der Handausdünnung an folgenden Regeln:
- Den Baum als Ganzes im Blick halten. Basierend auf Grösse, Alter und Gesundheit des Baumes entscheiden, wie viele Äpfel der Baum produzieren kann
- Die Äpfel zählen und sich an den Richtwerten orientieren
- Kleine Äpfel entfernen
- Beschädigte Äpfel entfernen
- Pro Blütenstand die schönsten ein bis zwei Äpfel hängen lassen, alle anderen Äpfel entfernen
- Ein Stück vom Stiel muss am Baum gelassen werden. Sonst kann es passieren, dass im Verlauf des Sommers die Äpfel vom gleichen Blütenstand abfallen, weil diese nicht mehr gut halten
- Im Hinterkopf halten, dass die Äpfel über den Sommer grösser werden und mehr Platz brauchen. Es dürfen nur so viele Äpfel am Baum bleiben, wie Platz vorhanden ist, wenn die Äpfel ausgereift sind. Ansonsten fallen die Äpfel ab, bevor sie reif sind, oder der ganze Ast bricht ab
- Die Apfelsorten in der Reihenfolge ausdünnen, wie die Äpfel reif sind. Zuerst die Frühsorten ausdünnen und erst danach die Spätsorten
- Äpfel, die entfernt wurden, nicht auf die noch am Baum hängenden Äpfel fallen lassen. Der Aufprall kann langfristige Schäden hinterlassen (ähnlich wie Hagelschäden)
- Mit der Handausdünnung erst nach dem Junifruchtfall beginnen
Umgang mit Herausforderungen
Schutz der Beeren vor der Kirschessigfliege und vor dem Regen
Im Sommer 2013 wurden wir mit einer neuen Herausforderung konfrontiert. Die Kirschessigfliege hat sich damals neu in der Schweiz verbreitet. Sie hat den Weg bis nach Bad Ragaz gefunden und unsere Heidelbeeren als Nistplatz auserkoren. Im Sommer 2013 erlitten wir rund 10% Ernteausfall bei den Heidelbeeren wegen der Kirschessigfliege. Dies konnten wir nicht hinnehmen, wir mussten darauf reagieren.
Bei der Kirschessigfliege handelt es sich um einen invasiven Schädling. Das heisst, dieses Insekt war ursprünglich nicht in der Schweiz heimisch, sondern wurde eingeschleppt. Jetzt ist die Fliege aber hier und stellt den Obstbau vor grosse Herausforderungen. Denn die Kirschessigfliege kann die Haut der gesunden Früchte aufstechen und legt danach ein Ei in die Frucht hinein. Aus dem Ei schlüpft eine kleine Made, die sich vom Fruchtfleisch ernährt. Die Frucht wird ungeniessbar und die Made entwickelt sich schnell zu einer ausgewachsenen Fliege, die dann selbst wieder beginnt, Eier in Früchte zu legen. Eine Fliege kann bis zu 400 Eier legen und somit auch bis zu 400 Früchte beschädigen. Aus diesem Grund verbreitet sich die Kirschessigfliege explosionsartig, und deren Verbreitung kann nicht gestoppt werden.
Das Einzige, was die Kirschessigfliege aufhält, ist ein feinmaschiges Netz. Aus diesem Grund waren wir gezwungen, die gesamte Beerenabdeckung zu erneuern. Wir haben einen sogenannten «Käfig» gebaut. Das heisst, dass die Beerenanlagen rundum mit Netz eingemacht sind. Dazu haben wir die alte Abdeckung entfernt und ein neues Gerüst gebaut. An diesem Gerüst wurde anschliessend das Hagelnetz, die Regenabdeckung und das Seitennetz befestigt. Das Netz an den Seiten ist feinmaschiger als das Hagelnetz (siehe Bilder). Dadurch können die Kirschessigfliegen von den Heidelbeeren ferngehalten werden.
Eine andere Art der Beerenabdeckung sind die Tunnel. Diese sind bei uns schon länger im Einsatz und schützen die Beeren vor dem Regen. Die Himbeeren pflanzen wir trotz der Anwesenheit der Kirschessigfliege weiterhin unter den Tunneln. Denn die Kirschessigfliege bevorzugt dunkle Früchte (Kirschen, Heidelbeeren, Holunderbeeren, usw.) als Nistplatz für ihre Eier. Aus diesem Grund sind die Himbeeren seltener von der Kirschessigfliege befallen.
Die Abdeckung schützt unsere Beeren vor Regen und einigen Schädlingen. Dadurch ist es uns auch möglich, Pflanzenschutzmittel einzusparen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass der Bau einer guten Abdeckung eine grosse finanzielle Investition ist. Zudem ist der jährlich anfallende Arbeitsaufwand für den Aufbau und den Abbau der Tunnel und die Öffnung und die Schliessung der Netze sehr gross.
Ist der Juni warm und nass,
gibt’s viel Korn und noch mehr Gras.