Die Natur hält sich nicht an unseren klassischen Jahreskalender. Dem Apfelbaum ist es egal, ob es März oder April ist, wenn sich seine Blüten öffnen. Ihm ist auch egal ob seine Blätter im Oktober oder im November auf den Boden fallen. Tage, Wochen und Monate haben keinen Einfluss auf die Entwicklung der Natur. Sie orientiert sich einzig und allein an den äusseren Gegebenheiten, der Witterung und dem Klima. Die Natur entwickelt sich jedes Jahr wieder ein bisschen anders. Manchmal etwas früher und manchmal lässt sie sich etwas mehr Zeit. Doch unabhängig vom Zeitpunkt durchlaufen die Pflanzen jedes Jahr dieselben Entwicklungsphasen. Es gibt eine Lehre, die sich genau mit diesen Entwicklungsphasen der Natur auseinandersetzt, die Phänologie.

Phänologie übersetzt, bedeutet «die Lehre von den Erscheinungen». Es geht dabei um die Entwicklungen der Pflanzen im Verlauf des Jahres. Eine Pflanze gedeiht und wächst jedes Jahr aufs Neue und zieht sich Ende Jahr zurück in die Winterruhe. Diese jährlich wiederholenden Entwicklungserscheinungen werden von der Phänologie beobachtet. Basierend auf diesen Beobachtungen wurde der phänologische Kalender entwickelt.

Der phänologische Kalender besitzt ganze zehn Jahreszeiten. Dabei werden der Frühling (Vorfrühling, Erstfrühling und Vollfrühling), der Sommer (Frühsommer, Hochsommer und Spätsommer) und der Herbst (Frühherbst, Vollherbst und Spätherbst) in drei geteilt. Nur der Winter wird als Ganzes betrachtet. Der Grund dafür ist, weil sich die Pflanzen innerhalb der Jahreszeiten weiterentwickeln. Einzig im Winter ziehen sie sich in eine längere Ruhephase zurück.

Der Übergang von der einen Jahreszeit zur nächsten orientiert sich weder an Himmelskörpern noch an einer bestimmten Zeitdauer. Dieser Übergang erfolgt in der Phänologie dann, wenn Pflanzen ein bestimmtes Entwicklungsstadium erreichen. Dabei wird zwischen sieben verschiedenen Phasen unterschieden, welche die Pflanzen im Verlauf des Jahres durchlaufen. Im Rahmen der Phänologie wurden sogenannte Zeigerpflanzen definiert. Erreicht die Zeigerpflanze eine bestimmte Phase, deutet dies den Übergang zu einer nächsten Jahreszeit an. Der Vorfrühling beginnt beispielsweise dann, wenn die Haselnuss und die Krokusse zu blühen beginnen. Vollherbst wird es, wenn die Kastanien reif sind.

Da immer dieselben Zeigerpflanzen beobachtet werden, können über die Jahre, und auch über verschiedene Standorte hinweg, Vergleiche gezogen werden. So kann es sein, dass zur gleichen Zeit auf dem Berg noch Winter herrscht, im Tal jedoch der Vollfrühling schon im vollen Gange ist. Die jahrzehntelange Erfassung von phänologischen Beobachtungen ermöglicht es auch, die aktuellen Entwicklungen mit den vergangenen Jahren in Relation zu setzen. Dadurch können auch Auswirkungen des Klimawandels erfasst, verstanden und beurteilt werden.